Flüsse wieder naturnäher gestalten – ein "Blaues Band" in Niedersachsen

Viele Flüsse sind vom Menschen stark verändert worden. Das Projekt „Blaues Band Oberweser“ will die Weser von Hannoversch Münden bis Minden wieder naturnäher gestalten. Der Beitrag erklärt, warum das wichtig ist und wie es Schritt für Schritt gelingen kann.

Vision der Oberweser 2035: Weser-Inseln, spielende Kinder, strukturreiche Ufer, erholsame Spaziergänge
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Vision der Oberweser 2035: Weser-Inseln, spielende Kinder, strukturreiche Ufer, erholsame Spaziergänge.

Auen sind feuchte, überschwemmte Gebiete entlang von Flüssen oder Bächen – und extrem wichtig: Sie bieten Lebensraum für viele verschiedene und seltene Pflanzen- und Tierarten, helfen den Wasserhaushalt zu regulieren, indem sie Überschwemmungen und Dürre abpuffern, speichern CO2 und funktionieren wie eine Reinigungsanlage für das Wasser.1 Außerdem bieten sie einen Erholungsort für uns Menschen. Auen sind also wichtige Ökosysteme, die es zu schützen gilt.2

Viele Flüsse sind vom Menschen stark verändert worden. Flüsse wieder naturnäher zu gestalten ist Artenschutz, Hochwasserschutz und Klimaschutz in einem. Dafür gibt es verschiedene Maßnahmen im und am Fluss. Das Projekt „Blaues Band Oberweser“ will beispielsweise die Oberweser in Niedersachsen wieder naturnäher machen.

Wie wird die Oberweser in Niedersachsen wieder naturnah?

Schritt für Schritt werden die Auen der Oberweser in Niedersachsen wieder naturnäher gestaltet. Das Projekt besteht aus Voruntersuchung sowie Hauptphase: Zunächst wird die Oberweseraue auf ihre Potenziale hin untersucht. Ziel ist es, 2-4 Gebiete – sogenannte Schwerpunkträume – zu finden, an denen die Renaturierungsmaßnahmen stattfinden können. Hierfür werden die Auenbereiche anhand verschiedener Merkmale wie Häufigkeit von Überflutungen bei Hochwasser, Boden- oder auch Besitzverhältnisse bewertet. In der Hauptphase sollen die identifizierten Maßnahmen dann umgesetzt werden. Bild 1 zeigt, wie so ein naturnaher Zustand der Oberweseraue aussehen kann.

Drei Pilotprojekte an der Oberweser befinden sich bereits in Planung. Sie sollen ab 2025 umgesetzt werden, um die Akzeptanz in der Region zu stärken und zu zeigen, dass ganz konkret etwas passiert. Außerdem können durch die Pilotprojekte wichtige Erfahrungen für den weiteren Projektverlauf gesammelt werden . So soll z.B. ein Teil der Maßnahmen mit der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) umgesetzt werden. Die Abstimmungsprozesse mit der WSV als wichtiger Kooperationspartner können so erprobt werden.

Uns ist ein gemeinschaftlicher Ansatz sehr wichtig: Lokale Akteur*innen konnten in Regionalgesprächen Vorschläge machen, wie die Auen der Oberweser revitalisiert werden können und die bereits existierenden Ideen mit ihrem Wissen bewerten. So können wir auch Hürden frühzeitig erkennen und, wenn erforderlich, abbauen,

erklärt Manuel Nerhoff, Projektleiter vom BUND Niedersachsen. 

Die drei Pilotprojekte befinden sich flussauf- bzw. abwärts von Hameln bei Rinteln und Dölme. U.a. sind folgende Maßnahmen geplant:

  • Auengewässer und -wälder erhalten und anlegen.
  • Zuflüsse zur Oberweser naturnah entwickeln: naturnahe Wiederherstellung von Gewässerläufen und die Entwicklung von ufer- und auentypischer Vegetation.
  • Flutrinnen erhalten und anlegen. Flutrinnen sind charakteristische Elemente einer Auenlandschaft. Diese flachen Eintiefungen im Gelände füllen sich bei hohen Flusswasserständen mit Wasser und werden durchströmt. Bei niedrigen Wasserständen bleiben sie hingegen trocken. Eine solche natürliche Dynamik im Rhythmus des Flusses sorgt für Artenvielfalt und Wasserrückhalt im Gebiet.
  • Flachwasserzonen und strömungsarme Zonen schaffen, damit Fische eine Ruhezone haben und dort Eier ablegen können. 

Pilotprojekt Herrengraben

Beispiel für auentypische Feuchtgrünlandstandorte: Die Wiesenknopf-Glatthaferwiese in der Fliede-Aue.

Das Ufer des Herrengrabens – ein Nebenfluss der Oberweser – soll  umgestaltet werden und wieder naturnah werden. Etwa durch die Anpassung der Uferlinie und - struktur,  Geländemodellierung und Bodenbewegung. Auch die Überflutungsdauer bei Weser-Hochwasser soll gefördert werden. Dadurch werden die auentypischen Biotope – feuchte Hochstaudenfluren, temporäre Kleingewässer, Auwaldbereiche, großflächige Röhrichte – verzahnt und deutlich vergrößert. Es entstehen Lebensräume, in denen sich auentypische Pflanzenarten ansiedeln können. Diese locken verschiedene Amphibien, Libellen und Vögel an, die dort Nahrung finden und sich fortpflanzen und ausruhen können. Vogelarten wie Wasserralle, Teichrohrsänger oder Rohrweihe brauchen etwa die auentypischen Röhrichte. Außerdem sollen am Herrengraben flache und nur zeitweise nasse Geländemulden geschaffen werden, damit auentypische Feuchtgrünlandstandorte entstehen.

Pilotprojekt Uferteiche Dölme

Beispielhaftes naturnahes Wesergleitufer am Weltkulturerbe Corvey

Im Projektgebiet Dölme sollen die Uferbefestigungen und der Uferdamm auf einer Strecke von ca. 800 m (teilweise) zurückgebaut werden. So wird die Fläche für ufer- und auentypische Lebensräume vergrößert. An der Innenkurve des Flusses – am so genannten Gleitufer – sollen Flachwasserbereiche, Kiesbänke und eine standorttypische Ufervegetation aus Pionierfluren, Flussröhrichten, feuchten Hochstaudenfluren, Weidengebüschen und Weichholzauenwald entstehen. Durch diese Maßnahmen können sich dort auch Jungfische und  Laufkäfer ansiedeln. Teile der Flutrinne sollen als extensives Grünland weiterentwickelt werden, also Grünland, auf dem nur wenig Vieh steht und das nicht gedüngt wird. Auf höher gelegenen Standorten sollen kleinere Hartholzauwälder entstehen. Typische Baumarten dafür sind etwa Stieleiche, Feld-Ulme oder Berg-Ahorn.

Pilotprojekt Flussaue NSG Modde

Anlage von temporären und dauerhaften Stillgewässer in einer Flutrinne

In diesem Pilotprojekt sollen durch einen Nebenarm bzw. eine Flutrinne temporäre oder dauerhafte Stillgewässer entstehen. Diese dienen u.a. als Lebensraum für Jungfische. In ufernahen Bereichen können sich dann vor allem kiesig-sandige Rohbodenflächen, Flussröhrichte, Weidengebüsche und Weichholzauwald-Fragmente entwickeln. Außerdem gibt es seitens der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (WSA Weser) Überlegungen, die Buhnen umzubauen und das Deckwerk teilweise zurückbauen, so dass die Uferrandstreifen naturnäher werden. Dies würde auch die Auen positiv beeinflussen.


Weiterlesen zum Projekt „Blaues Band Oberweser“: Meilensteine und Ausblick

Footnotes